Jakob 1952

Bern
Wädenswil
Zürich
Wädenswil
Erlenbach (Zürich)
Zürich
Wetzikon
Effretikon
Basel
Effretikon
Laufbursche
Bürolist
Serviceangestellter
Schwesternhilfe
Sportlehrer
Feldenkraislehrer

DEZEMBER 1954: Ich liege vor dem Einschlafen im Bett und spiele mit meinem Stofftier. Zu diesem gehört ein Schlüsselchen, mit dem sich das Tier aufziehen lässt. Das Schlüsselchen wandert in den Mund und rutscht in den Hals. Draussen auf dem Gang hört mein Vater zufällig mein Röcheln. Er stürzt in mein Zimmer, packt mich geistesgegenwärtig an den Füssen, hebt mich in die Höhe und schüttelt und klopft das Schlüsselchen heraus.

MAI 1961: Ein Haflinger wird vom Bauern der Strasse entlang heimgeführt. Ich beobachte und begleite das Pferd auf dem Trottoir, als es plötzlich seitlich ausschlägt und mich mitten im Gesicht trifft. Ich lande mit einer Hirnerschütterung im Spital. Drei Fleischwunden müssen genäht werden, und ein beschädigter Zahn wird mich in den folgenden Jahrzehnten immer an den Unfall erinnern.

MAI 1961: Im Spital bekomme ich überraschend Besuch von der Gotte und vom Götti. Seltsamerweise tragen beide schwarze Kleidung. Sie sind geschickt worden, um mir die Nachricht zu überbringen, dass mein Bruder Régis in der Seebadi ertrunken ist. In meinem Kopf herrscht Sturm. Marternde Fragen. Woher nimmt Régis seine Überzeugung, schwimmen zu können? Wie fühlt sich der Klassenkamerad, der mit ihm im viel zu kalten und stürmischen Wasser gewesen ist?

APRIL 1974: Ich bin verlegt worden: vom Pferdestallknast in der Kaserne Lausanne nach Drognens. Diese Kiste ist moderner aber nicht besser. Mit zehn Tagen scharfem Arrest will mich die militärische Obrigkeit gefügig machen. Befehlsverweigerung und Beleidigung eines Korporals (Arschloch) wirft man mir vor. Und ich sei ein Kantenläufer.

NOVEMBER 1976: Mitglieder des Demokratischen Manifests dringen in die Räumlichkeiten des Cincera-Archivs ein, lassen kistenweise Dokumente mitgehen und machen die reiche Ernte öffentlich. Ich sitze in der Cafeteria der Polyterrasse beim Frühstück und sehe mich auf der Titelseite des Tages-Anzeigers mit dem (mich betreffenden) Briefwechsel zwischen meinem Vater und dem RS-Obersten konfrontiert. Das Gipfeli bleibt mir im Halse stecken.

APRIL 1983: Vater stirbt. Viel zu früh. Weniger als ein Jahr nach der Pensionierung rafft ihn das Magengeschwür weg. Viele Fragen bleiben offen. Was ich weiss: Er hat noch Zukunftspläne gehabt, mit einer anderen Frau.

MÄRZ 1992: Meine Tochter Maja erblickt, ein wenig zögerlich, das Licht der Welt. Der zuständige, reichlich ungeduldige Oberarzt will die Sache vor Feierabend erledigt haben und zerrt sie mit der Saugglocke buchstäblich ans Tageslicht.

OKTOBER 2001: Ich muss der russischen Richterin auf Französisch erklären, dass Lena ärztlichen Support benötigt und daher möglichst schnell in die Schweiz reisen müsse. Über das Geld, das unter dem Tisch in alle Taschen fliesst, sage ich kein Wort. Nach dieser denkwürdigen Gerichtssitzung wird die Adoption von der Petersburger Bürokratie abgesegnet. Lena darf Russland verlassen.

SEPTEMBER 2009: Während eines Feldenkrais ATM-Trainings lerne ich Helena kennen. Damit nimmt mein Leben erneut eine Wende. Sie ist meine Liebe für den letzten Lebensabschnitt.

OKTOBER 2012: Zum Geburtstag schenkt mir Helena das Strategiepapier eines Architekten zur Hauserneuerung im Südpiemont. Jetzt ist klar, wie und wo mein Leben nach dem Unterrichten weitergeht.

13.01.2015