Richard 1950

Lübeck
Lungkwitz bei Dresden
Kiel
Bremerhaven
Lüneburg
Wilstedt
Tarmstedt
Starkstromelektriker
Lehrer
Rektor

JUNI 1954: Flucht mit Grosseltern und Tante von Dresden über Berlin nach Lübeck. Da ich in Lübeck geboren bin, bin ich aber KEIN Flüchtling. Meine Eltern lassen sich scheiden.

APRIL 1956: Mein Grossvater darf endlich in einem kleine Dorf bei Oldenburg Lehrer sein. Sowohl in der Nazi-Zeit als auch in der DDR hatte er Berufsverbot, weil er nicht in die jeweils herrschende Partei eintreten wollte.

JULI 1958: Ich darf beim Unterricht meines Grossvaters mitmachen und bin fasziniert: Abteilungsunterricht mit vier Altersgruppen, Fingerüberungen als Konzentrationsspiele und eine warmherzige Atmosphäre.

OKTOBER 1966: Meine Mutter heiratet zum dritten Mal und wird endlich glücklich, 36 Jahre lang. Mein Stiefvater ist, nach meinem Grossvater, eine der im positiven Sinne prägenden Personen in meinem Leben.

SEPTEMBER 1973: Studium an der Pädagogischen Hochschule Lüneburg unter starkem Einfluss der 68er-Bewegung. Schule verändern, neue Methoden, mehr Wissenschaftsorientierung, Schülerselbsttätigkeit, Demokratisierung, «Prinzip Hoffnung». Mein Grossvater hat das alles nicht mehr miterlebt, aber VIELES von ihm habe ich «mitgenommen».

JANUAR 1982: Geburt unseres ersten Kindes. Die Hebamme gibt es mir in den Arm, ich darf es baden. Es ist ein sooo grosser Moment des Glücks.

AUGUST 1986: Schulpädagogischer Seminarleiter, dann Rektor; Teil einer ganz besonderen Schule: eine gelungen Synthese aus Kooperativer und Integrierter Gesamtschule. Dieses Modell wird nach und nach von vielen Schulen im Land übernommen. Damit erreichen wir eines der Ziele, die uns 68ern so wichtig waren: Schule verändern.

JANUAR 1997: Gründung des Kultur-Forums. Vorsitzender bis heute. Es ist uns gelungen, Künstlerinnen und Künstler aus allen Erdteilen in unserem ländlichen Raum zu präsentieren. Wir bieten ein Forum für künstlerische Aktivitäten und setzen Diskussionen über kulturelle Fragen in Gang: über das gute Leben und die Zukunft. Gestaltung einer Kultur-Meile.

SEPTEMBER 2000: Mein Stiefvater stirbt in der Schweiz während einer Urlaubsreise. Trauer und Schmerz werden überlagert von Liebe und Dankbarkeit. Seebestattung in der Kieler Bucht.

JULI 2011: Meine vorzeitige Pensionierung nehme ich als Geschenk. Ich war sehr gerne Lehrer. Ein Motto hat mich immer begleitet: «Wir geben nicht auf, wir fangen noch einmal an!» (Lars Gustafsson)

09.07.2014