Alma 1946

Sion
Sde Warburg
Luzern
Bottmingen
Reisebürokauffrau
Flüchtlingsbetreuerin
Deutschlehrerin
Interviewerin
Mitarbeiterin Personalbüro
Gesellschafterin

JANUAR 1946: Anna und Johann wohnen in unserem dreistöckigen Haus. Da meine Eltern nicht viel Zeit für mich haben, kümmern sie sich um mich. Obwohl sie arm sind, geben sie mir sehr viel: Wärme, Zuwendung, Verlässlichkeit. Sie werden meine Grosseltern, ich liebe sie sehr.

MAI 1952: Auf einer Wanderung mit meinen Grosseltern Anna und Johann auf einer Alp sehe ich erstmals einen stengellosen Enzian. Ein Wunder, dieser blaue Kelch!

APRIL 1963: In Vorfreude darauf, meinen Vater wiederzusehen, kehre ich von meinem einjährigen Frankreichaufenthalt zurück. Aber Papi ist krank. Obwohl es keine Krankheit zum Tode ist, spürt er, dass er sterben wird. Ich will es nicht wahr haben. Am Wochenende gehe ich zu Freunden. Plötzlich habe ich das Gefühl, nach Hause zu müssen. Als ich in sein Zimmer komme, stirbt er. Ich weiss sofort, dass er tot ist. Es ist niemand sonst in der Wohnung, alle sind unten in unserem Restaurant. Ich bleibe noch lange allein bei meinem Vater sitzen.

OKTOBER 1966: Ich beginne meinen Aufenthalt in Israel bei einer Familie deutschstämmiger Juden. Jochanan und Hanna sind wunderbare Menschen, die mir das geben, das ich daheim vermisste. Obwohl ihre Eltern in Auschwitz umgekommen waren, kennen sie keinen Hass. Ihr Herz ist gross. Ich erfahre das erste Mal, wie man in einer intakten, guten Familie lebt.

JANUAR 1969: Suizid meiner bipolaren Mutter im eiskalten See. An meinem 23. Geburtstag. Mein jüngster Bruder, der erst 13 Jahre alt ist, lebt fortan bei mir.

JULI 1970: Ich gewinne meinen ersten Prozess! Gegen die Vormundschaftsbehörde Luzern, in Sachen meines Bruders. Man wollte ihm, ohne mich zu fragen, einen Vormund verpassen, welcher uns weder genehm noch vertrauenswürdig war. Ich bin stolz.

JANUAR 1972: Die Zeitschrift Elle bietet an, per Computer meine Daten zu vergleichen und allenfalls die Adresse eines passenden Mannes mitzuteilen. Ich mache mit, da ich bis anhin keinen gefunden habe, der meine Interessen teilt und mir auch sonst gefallen hätte. Ich erhalte vier Adressen und treffe drei Männer. In meinen Mann verliebe ich mich am ersten Abend. Wir unterhalten uns noch heute angeregt.

OKTOBER 1980: Wir heiraten in einer schönen Barock-Kirche, Luzern-Land, mit Cembalomusik.

APRIL 1995: Ausbruch der bipolaren Krankheit nun auch bei mir.

SEPTEMBER 2006: Reise mit meinem Mann nach Samarkand, ein langgehegter Traum, als Geschenk zum 60. Geburtstag.

28.10.2013