Boris 1982

Dettighofen
Yverdon-les-Bains
Lausanne
Berlin
Zürich
Handlanger Schiffswerft
Buchladen-Aushilfe
Kinokassier
Wissenschaftlicher Hilfsassistent
Architekt
Nachtpikett Psychiatrie

OKTOBER 1989: Mit meiner Familie sitze ich im Vorraum eines Heims im Süden Chiles: Gleich werde ich meine neue Schwester kennenlernen.

DEZEMBER 2001: Im Kino, wo ich arbeite, sehe ich «Birthday» von Stefan Jäger. Mit dreissig Schluss machen: Der Gedanke dieser Möglichkeit beruhigt mich.

FEBRUAR 2002: Nach gut einer Woche einsamen Wanderns in patagonischen Fjorden sehe ich am Boden einen Schatten vorbeiziehen. Ich schaue hoch und im Gegenlicht der nachmittäglichen Sonne zieht ein Kondor über mir vorbei.

OKTOBER 2002: In Lausanne miete ich meine erste Wohnung. Mein Französisch reicht kaum, um dem Übernahmeprozedere zu folgen. Dafür spüre ich, dass ein neues Leben beginnt.

JUNI 2003: An der Abschlusspräsentation des ersten Studienjahres verlese ich vor der Professur, den Gastkritikern und allen Mitstudenten statt einer Projektbeschreibung ein Gedicht – und rette mich damit ins zweite Jahr.

MÄRZ 2004: Zum ersten Mal in meinem Leben eröffne ich einer Frau meine Liebe.

NOVEMBER 2004: Ich sitze im Nachtzug an der Bar und starre ins vorbeiziehende Dunkel hinaus. Im Abteil liegen meine auf zwei Gepäckstücke reduzierten Habseligkeiten. Vor mir liegt Berlin und die Suche nach Wohnung und Arbeit.

JULI 2008: Einmal mehr muss ich feststellen, dass Freundschaften zwischen Frauen und Männern oft das verheerende Potential bergen, dass sich darin unerkannte Liebe versteckt.

SEPTEMBER 2009: An einem Tiefpunkt meines Lebens beweisen meine Freunde, dass ich auf sie zählen und mich ihnen anvertrauen kann.

JANUAR 2011: Das Telefon reisst mich aus meiner Nachmittagsbeschäftigung und aus meinem bisherigen Leben. Mein Vater kann kaum sprechen. Meine Mutter sei auf der Strasse tödlich verunfallt. Ich kann es nicht glauben. Nichts wird mehr sein wie es war.

18.11.2012