1983

JANUAR 1983: Ich besuche Freunde in Berlin und mache bei einem Essen Bekanntschaft mit einer Filmaustatterin, die eine Requisitenassistentin braucht, die sie vor allem rumchauffiert. Ich will unbedingt zum Film.

JANUAR 1983: Ich besuche mit meinem Mann Abu Simbel und die Königsgräber in Luxor. Diese Ägyptenreise ist ein Höhepunkt von vielen gemeinsamen Reisen, Wanderungen und Konzertbesuchen.

JANUAR 1983: Anstatt die USA zu durchqueren, verbringe ich sieben grossartige Monate in New York. Die Musikszene um die Band «Unknown Gender» fasziniert mich und hält mich zurück. Nachts bin ich unterwegs, tagsüber schlafe ich und schlage mich mit Gelegenheitsjobs durch.

FEBRUAR 1983: Mein kleiner Bruder stirbt.

MÄRZ 1983: Ich lerne M. kennen, den ersten Mann in meinem Leben.

MÄRZ 1983: Ich studiere im Ausland. Ein junger Mann kommt mich besuchen. Ich liebe ihn schon lange. Wir werden endlich ein Paar. Ich bin überglücklich.

APRIL 1983: Vater stirbt. Viel zu früh. Weniger als ein Jahr nach der Pensionierung rafft ihn das Magengeschwür weg. Viele Fragen bleiben offen. Was ich weiss: Er hat noch Zukunftspläne gehabt, mit einer anderen Frau.

MAI 1983: Umzug nach Augsburg. Ich fange an dort zu studieren. Alles ist neu, alles ist gut. Ich lerne, für mich zu sorgen.

MAI 1983: Ich bin über etwas sauer und drohe meiner Mutter auf den Küchenboden zu pinkeln, was ich dann auch tue.

JUNI 1983: Ich bestehe die Aufnahmeprüfung an die Schauspielakademie mit viel Glück – und eine Woche später die Matura deutlich glamouröser, aber das zählt schon fast gar nicht mehr.

JULI 1983: Ich besuche zum ersten Mal ein grosses Konzert und reise mit dem Extrazug nach Basel.

JULI 1983: Meine Eltern bitten mich, meinen Bruder mit an das Fest zu nehmen. Ich sage «Nein» und schaue ihm ein bisschen zu früh in die Augen.

JULI 1983: Ich habe die Fahrprüfung bestanden und trete fünf Tage später eine Stelle als Requisitenfahrerin in Berlin an. Beim Bewerbungsgespräch hatte ich auf die letzte Frage «Autofahren kannst du ja?!» mit «Ja» geantwortet und erst danach begonnen, Fahrstunden zu nehmen.

AUGUST 1983: Mit Traktor und Zirkuswagen fahren wir auf einer sechsspurigen Strasse durch Frankfurt. Plötzlich reisst der Keilriemen, nichts geht mehr. «Einfach ruhig bleiben», rufen meine lieben Kollegen.

SEPTEMBER 1983: Nach rund 890 Kilometer Traktor-Zirkuswagen-Fahrt steigen wir in ein Auto und erleben dabei das beschleunigende Gefühl eines Flugzeugstarts.

SEPTEMBER 1983: Meine Oma näht mir ein Kissen, damit ich sie in Amerika nicht vergesse.

SEPTEMBER 1983: Ich bin total verpickelt und gehe in die Kapelle auf unserem Schulgrundstück. An der Orgel sitzt ein Junge und in zehn Sekunden fühlt sich alles verändert an.

OKTOBER 1983: Ich entdecke meine Faszination für die Filme Alfred Hitchcocks und verschlinge Francois Truffauts Interviewbuch «Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?»

OKTOBER 1983: Seit der Trennung von meinem Vater schlägt uns Mami nicht mehr. Vielleicht sind wir inzwischen zu gross geworden. Ich beginne aber, psychische Probleme zu haben, und habe keine Schulfreunde mehr.

OKTOBER 1983: Endlich, ich bin volljährig! Auf diesen Moment habe ich lange gewartet.

NOVEMBER 1983: Ich bin schwanger und fühle mich wertvoll. Bangen, Hoffen, Lieben. Eins mit allen Kreaturen. Liebe wird Leben.

DEZEMBER 1983: Sound&Light-Show im Tempel von Karnak (Ägypten). Ich kriege den Mund nicht mehr zu. Dieses Gefühl des freudigen Erstaunens werde ich nie vergessen.

DEZEMBER 1983: Ich beginne, mir selber Gitarre spielen beizubringen. Dies ist der Anfang meiner Laufbahn als Autodidaktikerin. Ich werde später Musikerin und erlerne selbständig mehrere Berufe.