1959

JANUAR 1959: Umzug von Afrika nach Thun. In der Schule bin ich der einzige mit einem aussergewöhnlichen Lebenslauf und werde wie ein halber Ausländer behandelt. Ich vermisse die Wärme und die Sonne.

JANUAR 1959: Ich breche mir beim Skifahren das Bein, komme in die Klinik und habe furchtbares Heimweh.

MÄRZ 1959: Ich spüre, dass mein Vater im Sterben liegt, obwohl ich über 80 Kilometer von ihm entfernt bin und niemand seinen Tod erwartet. Er stirbt 48-jährig und wir bekommen keine Osterhasen.

JUNI 1959: Dank seinem ersten grösseren Auftrag als Architekt gelingt es meinem Mann, eine alte Wassermühle in Köln zu erwerben, die wir mit der Geburt jedes Kindes ein Stück weiter ausbauen. Ein kleines Paradies für uns alle.

JULI 1959: Erste Reise nach Jugoslawien mit einem VW Käfer und einem Schäferhund. Land und Leute hinterlassen starke Eindrücke bei mir. Weitere Reisen folgen mit Kindern, Zelt und Boot. Wir schliessen dauerhafte Freundschaften.

AUGUST 1959: Mein Vater kommt nach Hause zurück, nachdem meine Eltern fast drei Jahre lang getrennt waren. Ich streiche diese Jahre aus dem Gedächtnis.

SEPTEMBER 1959: Geburt unserer ersten Tochter im Spital Langenthal. Antonia hat keine Angst, deshalb mache ich mir auch keine Sorgen. Während der langen Wartezeit im Kreissaal massiere ich ihr den Kopf, stütze sie und lese ihr vor, obwohl sie schon gar nichts mehr versteht, bis endlich die Geburt losgeht.

SEPTEMBER 1959: Ich bringe meine erste Tochter zur Welt. Ich habe nicht viel Angst. Nach der Geburt darf ich vierzehn Tage lang im Spital bleiben, und als wir nach Hause gehen, wohnt eine Tante, die lange als Säuglingsschwester gearbeitet hatte, einen Monat lang bei uns und hilft mir. Als ich alleine mit meiner Tochter vom Spital nach Hause ziehe, lege ich mich müde ins Bett, warte auf die Tante und denke: Magdalena stirbt, Magdalena stirbt!

SEPTEMBER 1959: Meine Mutter presst. Mein Vater hält sie fest. Mit einem Schrei bin ich auf der Welt. Ab jetzt lebe ich.

SEPTEMBER 1959: Ich betrachte mit meiner Freundin Doris mein erstes Zeichenbuch: Ein richtiges, gebundenes Buch, in welches ich zusammen mit meinem Vater, meinem Grossvater und meiner Gotte gezeichnet habe, seit ich mich erinnern kann. Bei allen Bildern der Erwachsenen sagen wir bewundernd «Lei!». Das Buch heisst von da an «Lei-Buch» und ich werde es mein Leben lang aufbewahren.

NOVEMBER 1959: Ich komme mit einer verschleppten Mittelohrentzündung in die Uniklinik und liege dort vier Wochen. Die Krankheit begleitet mich zeitlebens.