1946

JANUAR 1946: Anna und Johann wohnen in unserem dreistöckigen Haus. Da meine Eltern nicht viel Zeit für mich haben, kümmern sie sich um mich. Obwohl sie arm sind, geben sie mir sehr viel: Wärme, Zuwendung, Verlässlichkeit. Sie werden meine Grosseltern, ich liebe sie sehr.

MAI 1946: Ich bin mit meiner Mutter auf dem Monatsmarkt und laufe mit ihr über den Friedhofsplatz. Hier verkaufen die Bauern aus der Umgebung Ferkel, Kaninchen, Kätzchen und junge Hunde. Ein kleiner blonder Hund hat es mir angetan. Ich überzeuge meine Mutter, und wir kaufen ihn für zehn Franken. Ich trage den kleinen Hund stolz auf meinen Armen nach Hause.

JULI 1946: In der Gärtnerei während der Mittagspause kauen wir hungrig auf trockenem Brot und Möhrenabfällen, als eine fremde Dame erscheint und uns Präservative verteilt. Ich und die anderen Auszubildenden halten ratlos die kleinen Päckchen in den Händen, weil wir nicht wissen, was es ist.

JULI 1946: Ich reise mit Mutter und drei Geschwistern durch das kriegsversehrte Frankreich und sehe durchs Zugfenster ein Haus, bei dem zwei Mauern fehlen und die Böden der Stockwerke herunterhängen. Aus einer grossen blauen Hutschachtel tropft es auf uns herunter. Meine Mutter wollte die reifen Pfirsiche vom Garten nicht zurücklassen.

AUGUST 1946: Heirat trotz aller Schwierigkeiten – es hungert sich eben zu zweit leichter als allein.

OKTOBER 1946: Ich verlasse zum Studium in Heidelberg meine Mutter und lerne, selbständig zu sein. Im Studium wird mein Glaube durch theologische Erkenntnisse erschüttert – und bei der Lektüre des 2. Korintherbriefs vertieft.